Aktuelle Therapiekonzepte bei chronischer Sprunggelenksinstabilität

Chronische Instabilität des oberen Sprunggelenks (OSG) stellt ein häufiges Krankheitsbild insbesondere bei sportlich aktiven Patienten dar. Es können der laterale oder mediale Bandapparat sowie der Syndesmosenkomplex isoliert oder in Kombination betroffen sein.
Unbehandelt stellen sie einen Risikofaktor für die frühzeitige Entstehung von Osteoarthrose dar.

Sprunggelenksdistorsionen zählen zu den häufigsten Sportverletzungen. Häufig kommt es dabei zu Läsionen des Bandapparates. Bei 85 % der Verletzungen ist der laterale Bandapparat, bestehend aus Lig. fibulotalare anterius (LFTA), Lig. calcaneofibulare (LCF) und Lig. fibulotalare posterius (LFTP), betroffen. Es kann allerdings ebenso der Syndesmosenkomplex, bestehend aus Lig. tibiofibulare anterius (LTFA), Lig. interosseus (IL), Membrana interossea (IM) und LTFP, oder das Lig.
deltoideum mit seinen tiefen und oberflächlichen Fasern betroffen sein.
Im Regelfall liegt hinsichtlich des Verletzungsmechanismus betreffend des lateralen Bandapparats ein Inversionstrauma vor, wohingegen Syndesmosenkomplex und Lig. deltoideum von Eversionstraumata betroffen sind. Es können auch kombinierte Formen beziehungsweise sogenannte Rotationsinstabilitäten (medial und lateral) vorliegen.
Bei nicht adäquater primärer Diagnostik oder fehlgeschlagener initialer Therapie kann es zu einer chronischen Instabilität des Sprunggelenks kommen. Diese ist durch das Fortbestehen einer Instabilitätsproblematik über 3–6 Monate definiert.
Aktuellen Daten zufolge tritt dies bei sportlich aktiven Patienten bei bis zu 60 % der Verletzungen auf. Neben den für den Patienten auftretenden Beschwerden wie Schmerz und Instabilität kommt es durch die Störung der physiologischen Gelenkskinematik zu einer Fehlbelastung des Gelenkknorpels. Magnetresonanztomografische Untersuchungen haben unter Zuhilfenahme von quantitativem T2-Mapping gezeigt, dass es bei Patienten mit chronischer Sprunggelenksinstabilität selbst bei makroskopisch integer imponierendem Gelenksknorpel (intraoperative Arthroskopie) bereits frühzeitig zur Degeneration kommt. Somit stellt die chronische Instabilität einen Risikofaktor für die vorzeitige Entstehung osteoarthrotischer Veränderungen dar. Eine Langzeitbeobachtung über 20 Jahre an sportlich aktiven Patienten mit konservativ therapierter chronischer Instabilität zeigt in 13 % der Fälle eine Sprunggelenksarthrose. Dementsprechend sind die exakte Diagnostik und adäquate Therapie sowohl in der akuten als auch in der chronischen Situation von entscheidender Bedeutung.

Diagnostik

Detaillierte Anamnese und klinische Untersuchung stellen einen wesentlichen Bestandteil in der Abklärung von chronischer Sprunggelenksinstabilität dar. Dabei gilt es, auf Symptome wie Schmerz, Schwellung und Instabilitätsgefühl („giving way“) zu achten.
Im Rahmen der klinischen Untersuchung stehen die Beurteilung des Alignements, die Gelenksbeweglichkeit und die Beurteilung der Bandstabilität durch entsprechende Provokationstests im Vordergrund (Abb. 1).
Aus Sicht der Bildgebung kann das Projektionsröntgen grob orientierend Hinweise auf ossäre Pathologien, Begleitverletzungen und Alignement bieten. Die Bandsituation kann mittels Sonografie und Magnetresonanztomografie (MRT) beurteilt werden, wobei Letztere ob der geringeren Untersucherabhängigkeit und höheren Auflösung zu bevorzugen ist. Auch die Evaluierung von artikulären Begleitpathologien (Knorpel, freie Gelenkskörper etc.) ist mittels MRT möglich. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass insbesondere bei chronischer Instabilität die Sensitivität von MRT-Untersuchungen limitiert ist und bei ca. 80 % liegt. Dementsprechend dürfen sie nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage dienen.

Chronisch laterale Instabilität

Die chronische Instabilität des lateralen Bandapparates stellt die häufigste Instabilität im Bereich des Sprunggelenks dar. Konservative Therapieoptionen umfassen nach initial orthetischer Versorgung im Wesenlichen physiotherapeutische Maßnahmen mit Propriozeptionstraining. Führt dies über 3–6 Monate zu keinem adäquaten Therapieerfolg, sollte ein operatives Vorgehen angedacht werden.
Dabei können die Operationsverfahren in anatomische Reparationstechniken und Rekonstruktionstechniken unterteilt werden. Extraanatomische Verfahren (Peroneal – sehnentenodesen, z. B. Watson-Jones, Evan, Chrisman-Snook) sollten als obsolet betrachtet werden. Dies ergibt sich aus der durch die extraanatomische Situation hervorgerufenen alterierten Gelenksmechanik, welche als Risikofaktor für die Entstehung von Arthrose zu werten ist. Ferner stellen die Peronealsehnen einen aktiven und passiven lateralen Stabilisator dar und sollten dementsprechend nicht „geopfert“ werden.
Anatomische Reparationsverfahren orientieren sich an dem am häufigsten angewandten Broström-Verfahren mit seinen Modifikationen. Die 1966 erstmals beschriebene Technik stellt eine Raffung der narbigen Anteile des LFTA dar. 1980 wurde diese Technik durch Gould um eine Augmentation mittels inferioren Extensorretinakulums erweitert. Ursprünglich erfolgte die Raffung durch Bohrkanäle. Nunmehr wird sie standardmäßig mit modernen Fadenankersystemen durchgeführt.
In den letzten Jahren befinden sich als Ergänzung zu dem traditionell offen durchgeführten Verfahren arthroskopische Techniken auf dem Vormarsch. Dies birgt den Vorteil, dass neben geringerer Invasivität auch eine hochdifferenzierte Diagnostik durchgeführt werden kann und die häufig auftretenden artikulären Begleitpathologien entsprechend adressiert werden können. Als Zugänge dienen das anteromediale, anterolaterale und gegebenenfalls akzessorische anteriore Portal.
Bei rein arthroskopischen Reparationsverfahren werden die narbigen Anteile des LFTA mittels Faden armiert und in weiterer Folge an den naiven Footprint oder leicht kranial davon mit einem Fadenanker fixiert. Dies ermöglicht eine Raffung des LFTA. Die Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Technik stellen allerdings adäquate Remnants des LFTA dar. Diese werden gemäß eines Schemas der French Arthroscopy Society in die Stadien 0 (morphologisch intakt) bis 4 (Narbengewebe ohne Bandremnant) eingeteilt (Abb. 2).
Es gibt weitere Techniken, welche sich am Broström-Gould-Verfahren orientieren und arthroskopisch/endoskopisch zur Anwendung kommen. Eine Weiterentwicklung der letzten Jahre stellt das sogenannte „Ligament Bracing“ dar. Dabei wird mittels nicht resorbierbaren Fadenmaterials (SutureTapeTM, Fa. Arthrex) eine Augmentation der Broström-Gould-Rekonstruktion durchgeführt. Wichtig dabei ist, dass es ein „Over the top“-Verfahren darstellt und die Primärstabilität des Konstrukts verstärkt, nicht aber als Bandersatz zur Anwendung kommt. Durch die höhere Primärstabilität kann ein aggressives Rehabilitationsprotokoll verfolgt werden.
Neben den Reparationsverfahren können auch Rekonstruktionsverfahren arthroskopisch oder arthroskopisch assistiert durchgeführt werden. Hierbei wird ein homologes/autologes Sehnengraft als Ersatz für LFTA und LFC herangezogen. Es werden die Bohrkanäle an den entsprechenden Footprints gesetzt. In weiterer Folge wird das armierte Sehnengraft eingezogen und mit Interferenzschrauben oder „Suture Button“ fixiert.

Syndesmoseninstabilität

Verletzungen der Syndesmose werden zum größten Teil durch Eversionstraumata verursacht. Dieser Verletzungsmechanismus macht 1 % der Sprunggelenksdistorsionen aus. Grundsätzlich können isolierte Syndesmosenläsionen und solche in Verbindung mit Sprunggelenksfrakturen unterschieden werden. Ferner kann aus einer nicht entsprechend behandelten akuten Läsion eine chronische Instabilität resultieren. Eine Dysfunktion der Syndesmose führt zu intraartikulären Druckspitzen und hohen Scherkräften und damit zu rascher Degeneration des Gelenkknorpels.
Insbesondere die Diagnostik der isolierten und chronischen Syndesmosenläsionen ist aufgrund des dynamischen Charakters der Pathologie herausfordernd. Die Arthroskopie erlaubt eine direkte Visualisierung und Stressuntersuchung. Hierbei findet der „Hook Test“ Anwendung. Dabei wird die Spitze des Tasthäkchens in den tibiofibulären Gelenksspalt eingeführt und gewendet. Ist dies möglich und ist eine Diastase von > 3 mm provozierbar, gilt die Syndesmoseninstabilität als gesichert (Abb. 3).
Als Stabilisationsmethoden bei akuter und chronischer Instabilität stehen je nach Ausmaß diverse Verfahren zur Verfügung. Kommt es bei grundsätzlich stabilen Verhältnissen („Hook Test“ negativ) lediglich zur Impingementproblematik durch Narbengewebe, ist das alleinige arthroskopische Debridement ausreichend. Je nach Ausmaß der Instabilität kommen Stabilisationsoperationen mit „Suture Button“ oder Stellschraube beziehungsweise ligamentäre Rekonstruktionsverfahren (z. B. mittels Gracilis-Autograft) zur Anwendung.

Mediale Instabilität

Die mediale Instabilität des OSG kann isoliert, öfter jedoch in Kombination mit lateraler Instabilität (rotatorisch) auftreten. Die Häufigkeit ist wesentlich geringer als jene der bereits genannten Instabilitäten. In Analogie zu den bereits genannten Krankheitsbildern ist die Beurteilung der Achsverhältnisse von wesentlicher Bedeutung. Auch die Funktion der Tibialis-posterior- Sehne sowie die Situation des Lig. calcaneonaviculare plantare („Spring Ligament“) müssen überprüft werden. Hinsichtlich Diagnostik und Therapie ist der Stellenwert der Arthroskopie mit jenem bei lateraler Instabilität vergleichbar. Auch hier besteht die Möglichkeit der arthroskopischen Bandrekonstruktion (tibiotalarer Anteil des Lig. deltoideums) sowie des „Ligament Bracings“. Bei ausgedehnten Instabilitäten erfolgt die Rekonstruktion des Ligamentum deltoideum mittels Sehnengraft.

Autor:
OA Priv.-Doz. DDr. Reinhard Schuh
Präsident der ÖGF
Evangelisches Krankenhaus Wien
E-Mail: ordination@orthopaede-drschuh.at

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