Die operative Therapie osteochondraler Defekte am Sprunggelenk stellt ein kontroversiell diskutiertes Themenfeld dar. „All autologous cartilage repair“ (AutoCart™) ist ein vielversprechendes weiterentwickeltes Therapieverfahren.
Osteochondrale Defekte stellen ein häufiges Krankheitsbild im Bereich des Sprunggelenks dar. 1888 erstmalig als „Osteochondritis“ erwähnt, wurde die Läsion 1922 erstmalig im Bereich des Sprunggelenks beschrieben. Im Bereich der unteren Extremität stellt Letzteres mit 19 % die zweithäufigste Lokalisation nach dem Kniegelenk dar. Der überwiegende Teil der Defekte ist am Talus lokalisiert. Sie können idiopathischen Ursprungs oder durch eine Instabililtät oder Fraktur des Sprunggelenks bedingt sein. Es erfolgt eine stadienadaptierte Therapie symptomatischer Läsionen, wobei stabile Defekte konservativ behandelt werden, wohingegen instabile Defekte operativ adressiert werden. Aus operativer Sicht stehen diverse Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, wobei die Auswahl des Verfahrens aktuell kontroversiell erscheint und ein relativ geringes Evidenzniveau hinsichtlich vergleichender Studien besteht. Die operativen Therapieoptionen inkludieren Stimulationstechniken (Bohrung, Mikrofrakturierung ± biologische Augmentation, Mikrodrilling) sowie Rekonstruktionstechniken (autologe osteochondrale Transplantation [OATS], autologe Chondrozytentransplantation [ACT], Allografts).
„Minced cartilage implantation“ (MCI)
Aktuell gibt es Hinweise, dass die Qualität des Regeneratgewebes mit dem klinischen Ergebnis in positiver Korrelation steht. Zellbasierte Operationstechniken haben das Potenzial, die höchstmögliche Qualität des Regeneratgewebes zu gewährleisten. Zu diesen zählen die ACT sowie die Implantation autologer Knorpelchips („minced cartilage implantation“, MCI). Das MCI-Verfahren wurde in den 1980er-Jahren erstmalig angewandt und stetig weiterentwickelt. Dabei wird autologer Knorpel des Patienten mittels Shaver zerkleinert, wobei die Fragmentgröße weniger als 1 mm3 betragen sollte. Die zerkleinerten autologen Fragmente werden auf den Defekt aufgetragen. Ursprünglich wurde die Technik ohne biologische Augmentation angewendet. Die Weiterentwicklung inkludiert vor allem eine Verbesserung der Einheilungs-/Regeneratkaskade durch die Verwendung von Wachstumsfaktoren aus stammzellreichem Plasma – PRP (ACP – Autologous Conditioned Plasma) sowie einer autologen Thrombinlösung. Der wesentliche Vorteil gegenüber der ACT liegt vor allem darin, dass es sich um ein einzeitiges Verfahren handelt. Im Bereich des Sprunggelenks kann der Eingriff in der überwiegenden Zahl Fällen rein arthroskopisch erfolgen.
Indikation
Die Indikation zur MCI umfasst osteochondrale Defekte in sämtlichen Regionen des Talus. Es gibt aktuell keine Hinweise auf die maximal adressierbare Defektgröße. Im eigenen Algorithmus erfolgt eine Limitation von ca. 1,5 cm2. Eine mit dem Defekt assoziierte subchondrale Zyste muss gesondert adressiert werden (Débridement, Bonegrafting), schließt aber die Anwendung der MCI nicht aus. Wesentlich ist die präoperative Beurteilung hinsichtlich des Sprunggelenksalignments (Röntgenbilder des belasteten Sprunggelenks a/p, des Fußes seitlich sowie Salzmann- und Ganzbeinaufnahmen) sowie der Sprunggelenksstabilität, da entsprechende pathologische Veränderungen wie bei anderen Knorpelreparationsverfahren adressiert werden müssen, um einen Therapieerfolg zu gewährleisten.
Operationstechnik AutoCart™
Die Operation erfolgt in der Standard- Sprunggelenksarthroskopielagerung. Dies bedeutet Rückenlage, wobei die Ferse an der Kante des Operationstisches platziert werden sollte. Das ist insofern wichtig, als intraoperativ eine maximale Plantarflexion des Sprunggelenks erforderlich ist, um eine bestmögliche Darstellbarkeit vor allem posterior gelegener Läsionen zu gewährleisten. Hierbei dient die Kante des Operationstisches als Hypermochlion. Durch diese Technik ist eine bessere Erreichbarkeit der posterioren Aspekte der Talusschulter gegeben als bei Verwendung von Distrak tions gurten. Unter dem Becken der Operationsseite wird ein Seitenkeilkissen angelegt, sodass Unterschenkel und Fuß in neutraler Rotation zu liegen kommen. Eine Oberschenkelblutsperre wird ebenfalls angelegt. Je nach Lokalisation der osteochondralen Läsion und der artikulären Begleitpathologien, die operativ adressiert werden, wird der Eingriff rein arthroskopisch oder arthroskopisch assistiert mit anteromedialer oder anterolateraler Mini-open-Arthrotomie ausgelegt. In wenigen Ausnahmefällen kann eine Malleolotomie erforderlichsein. Dies ist in der präoperativen Planung zu berücksichtigen. Hierbei kann neben der exakten Bestimmung der Lokalisation der Läsion eine Computertomografie in maximaler Plantarflexion hilfreich sein. Nach Anlage der Standardportale (anteromedial und anterolateral) und Inspektion des Gelenkes erfolgt die Darstellung der Läsion. Nun wird das instabile Knorpelfragment mittels Shaver (Sabre 3,0 mm) reseziert, die Knorpelpartikel werden im GraftNet-System gesammelt. Nachdem scharfe Ränder mit integrem Knorpel erreicht wurden, wird das Gelenk getrocknet. Hierfür wird der Wasser-Inflow beendet, Flüssigkeit abgesaugt und der Defekt mittels Wattestäbchen trocken gelegt. Zu Beginn der Operation werden ferner nach Blutabnahme 3 x 15 cm3 stammzellreiches Plasma (ACP) mittels Zentrifugation aufbereitet. Ein Teil des gewonnenen ACP wird zur Herstellung einer Thrombinlösung mittels Thrombinatorsystem verwendet. Simultan werden die gewonnenen Knorpelpartikel aus dem GraftNet-System mit ACP vermischt, wodurch eine gleichförmige, pastöse Masse entsteht. Die gewonnene Thrombinlösung wird mit ACP im Verhältnis 1:1 vermischt. Nach Trockenlegung des Gelenks wird die pastöse Masse aus Knorpelpartikeln und ACP über einen Trokar appliziert und modelliert. Im Anschluss wird die Fragmentpaste mit der Thrombinlösung überschichtet. Durch die Verbindung des in der Paste enthaltenen Fibrinogens und des applizierten Thrombins entsteht ein stabiler Clot, der das Gemisch in der Läsion hält. Postoperativ erfolgt die Anlage einer dorsalen Longuette für 48 Stunden. Die Mobilisation erfolgt 2 Wochen entlastend und 4 Wochen mit Bodenkontakt. Je nach Begleiteingriff wird eine CPM-Schiene angelegt. Nach 6 Wochen werden aktive Physiotherapie mit Mobilisation und Propriozeptionstraining sowie ein schrittweiser Belastungsaufbau gestartet.
Präliminäre Ergebnisse
Zwischen Oktober 2021 und Dezember 2022 wurden durch den Autor 34 Patienten mittels eines AutoCart-Verfahrens im Bereich des Sprunggelenks operiert. In 23 Fällen wurde der Eingriff isoliert durchgeführt, bei den restlichen Patienten erfolgte in 3 Fällen eine simultane Rekonstruktion des lateralen Bandapparates, in 6 Fällen eine Spongiosaunterfütterung, in 2 Fällen die Entfernung eines symptomatischen Os trigonum und in 1 Fall die Entfernung von Osteosynthesematerial. Ein Patient wurde nach vorangegangener Arthroskopie einer Malleotomie unterzogen, bei zwei Patienten erfolgte eine anteromediale Arthrotomie. Die restlichen Eingriffe konnten rein arthroskopisch durchgeführt werden. Die vorläufigen subjektiven Ergebnisse sind vielversprechend und bislang sehr zufriedenstellend, wobei die Ergebnisse einer systematischen Nachuntersuchung für das 2. Quartal 2023 erwartet werden.
Diskussion
Die weiterentwickelte MCI stellt ein einzeitiges Verfahren zur Rekonstruktion von osteochondralen Defekten am Sprunggelenk dar. Die theoretische Wirkungsweise beruht dabei auf einer „Heilungstriade“ erfolgreicher Gewebebildung bestehend aus Matrix, Wachstumsfaktoren und regenerativen Zellen. Die Vorteile des Eingriffs liegen im einzeitigen Vorgehen, in der weitgehend rein arthroskopischen Durchführbarkeit sowie der Anwendung ausschließlich körpereigener Substanzen. Ferner ist eine Kombination mit Bonegrafting möglich. Erste Ergebnisse sind vielversprechend und lassen auf das Potenzial der Methode rückschließen. Es bleiben sowohl in der eigenen Population als auch der internationalen Literatur die weitere Entwicklung sowie mittel- und langfristige klinische und morphologische Ergebnisse abzuwarten.
Autor:
Priv.-Doz. DDr. Reinhard Schuh
FA für Orthopädie und orthopädische Chirurgie,
Wien
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